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Besonders ärztliche Fehler bei der Geburt haben eine unermessliche Tragweite. Sie können ein ganzes Leben zerstören. Betroffene Kinder sind in manchen Fällen ein Leben lang schwerstbehindert und Pflegefälle.
Daher haben wir hierzu einen eigenen Menüpunkt mit umfangreichen Informationen erstellt:
Das ungeborene Kind ist schon vor und während der Geburt nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Schutzbereich des Vertrages zwischen seiner Mutter und dem behandelnden Arzt einbezogen. Auch nach der Geburt bleibt es durch den Schutzbereich des Behandlungsvertrages seiner Mutter geschützt.
Der Arzt ist gemäß § 630a(2) BGB verpflichtet, den Patienten nach dem zum Zeitpunkt der Behandlung anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft zu behandeln. Der Arzt muss die Maßnahmen ergreifen, die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden (Facharztstandard). Maßgeblich sind insoweit Leitlinien, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften vorgegeben werden.
Unter einem Behandlungsfehler ist ein ärztliches Verhalten bei der medizinischen Versorgung zu verstehen, das nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft der gebotenen Sorgfalt nicht genügt und damit unsachgemäß ist. Das Absehen von einer medizinischen Maßnahme ist bereits fehlerhaft, wenn sie dem medizinischen Standard zuwiderlief, nicht erst, wenn sie „zwingend geboten“ war. Der Facharztstandard ist höher als der Standard eines Allgemeinmediziners. Ein Krankenhaus muss in jeder Phase den Standard eines erfahrenen Facharztes vorhalten.
Schon ein leichter Fehler genügt für die Haftung, wenn die Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden feststellbar ist. Vorsatz oder gar Absicht für den herbei geführten Behandlungsfehler sind für die Haftung nicht erforderlich.
Der Arzt muss bei der Behandlung die richtige Methode anwenden. Entspricht die Behandlung nicht "Facharztstandard", liegt ein Therapiefehler vor.
Die Therapiewahl ist grundsätzlich Sache des Arztes. Das gilt aber nur, wenn gleichwertige Methoden zur Verfügung stehen. Das wäre z. B. nicht der Fall, wenn ein Kaiserschnitt geboten ist (OLG Brandenburg, Urteil vom 09.10.2002 - 1 U 7/02). Sind Behandlungsmethoden hinsichtlich ihrer Heilungschancen, Eingriffsbelastung und Schadensrisiken im Wesentlichen gleichwertig, darf der Arzt frei wählen. Weil eine langwierige konservative Behandlung und ein operativer Eingriff aber niemals gleichwertig sind, steht dem Patienten hier die Wahl zu. Bei gleichen Risiken hat der Arzt diejenige Therapie mit den besseren Heilungschancen, bei gleichen Heilungschancen die Therapie mit den geringeren Risiken auszuwählen.
Der Arzt muss immer alle bekannten und medizinisch vertretbaren Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, die eine erfolgreiche und komplikationslose Behandlung sicherstellen. Wählt der Arzt ausnahmsweise eine weniger sichere Behandlungsmethode, muss das höhere Risiko vor dem Hintergrund besonderer Sachzwänge im konkreten Fall oder durch eine günstigere Heilungsprognose sachlich gerechtfertigt sein. Das gilt insbesondere dann, wenn die Therapie für den Patienten mit gefährlichen Nebenwirkungen verbunden ist. So hat das OLG Hamm bei der Wundversorgung eines Säuglings mit Wasserstoffsuperoxid auf einen Behandlungsfehler entschieden, weil dessen Einsatz nicht zwingend zur Erreichung des Behandlungserfolgs geboten war (OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2002 - 3 U 200/01).
Diagnosefehler sind häufig. Ärzte stehen dabei vor dem Problem, dass Beschwerden oft nicht einer eindeutigen Krankheit zugeordnet werden können. Daher haben sie einen weiten Ermessensspielraum. Hier ist Zurückhaltung mit dem Vorwurf fehlerhafter Interpretation erhobener Befunde geboten, weil die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind, und auf verschiedene Krankheiten hindeuten können. Fehleinschätzung spezifischer SymptomeEin Fehler des Arztes liegt aber dann vor, wenn die diagnostische Bewertung für einen gewissenhaften Arzt nicht mehr vertretbar erscheint. Das ist der Fall, wenn Symptome für eine bestimmte Krankheit kennzeichnend sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der BGH hat bislang offen gelassen, ob ein Arzt in zweifelhaften Fällen verpflichtet ist, eine zweite Meinung einzuholen (BGH, Urteil vom 09.01.2007 - VI ZR 59/06). BefunderhebungsfehlerDie Frage nach einem ärztlichen Fehlverhalten stellt sich, wenn der Arzt ohne vorwerfbare Fehlinterpretation von Befunden eine unrichtige Diagnose stellt, weil er eine notwendige Befunderhebung entweder vor der Diagnose oder zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose unterlassen hat. Ein Befunderhebungsfehler liegt also vor, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Das ist beispielsweise der Fall, wenn vor Durchführung einer kosmetischen Operation die gebotene Exploration unterbleibt, ob die Patientin an einer Autoaggression leidet (BGH, Urteil vom 21.01.2016 - IX ZA 24/15). |
Herumliegende Spritzen, nicht aufgefüllte Desinfektionsbehälter, ungeputzte Zimmer: Die Hygiene in manchen Krankenhäusern gibt Anlass zur Sorge.
Es gibt allgemein anerkannte Hygiene- und Pflegestandards, bei denen schlicht keine Fehler passieren dürfen. Der Patient darf sich voll und ganz darauf verlassen, dass dabei kein einziger Fehler passiert. Allgemeine Risiken müssen für Arzt und Krankenhaus voll beherrschbar sein. Hier müssen Fehler komplett ausgeschlossen sein.
Ein häufiger und besonders folgenreicher Behandlungsfehler ist die Missachtung von Hygienevorschriften. Gerade für gesundheitlich geschwächte Menschen stellen Keime ein enormes Risiko dar. Die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts sowie die regelmäßigen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention sind zu beachten. Verstöße gegen medizinische Hygienestandards werden in der Rechtsprechung deshalb oft als Behandlungsfehler bewertet. Dies gilt zum Beispiel, wenn der Arzt vor dem Setzen einer Spritze vergisst, seine Hände zu desinfizieren, und es daraufhin zu einer Entzündung kommt.
Schon kleine Unachtsamkeiten können lebensbedrohliche Folgen haben. Dies gilt besonders in der Pflege sehr kranker oder alter Menschen. Die häufigsten Pflegefehler sind Infektionen, zu hoch dosierte Medikamente, Austrocknen, Blutergüsse, Brüche oder andere Verletzungen, Dekubitus und Verschlechterung des allgemeinen gesundheitlichen Zustands wegen verschleppter Behandlung.
Es ist schwer, in der anwaltlichen Beratung eindeutig einen Behandlungsfehler festzustellen. Es gibt aber Geschehnisse, die ganz eindeutig einen ärztlichen Behandlungsfehler darstellen.
Sie haben Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Das Auftreten eines dieser Ereignisse muss immer als Anzeichen dafür gesehen werden, dass die Sicherheitsbarrieren zur Verhinderung von Patientenschäden in der betreffenden Einrichtung nicht lückenlos greifen. Zögern Sie nicht und wenden sich sofort an uns, wenn folgendes bei Ihnen passiert ist:
OLG Hamm, Urteil vom 20.09.2021 - Az.: 1 U 31/20
In einer Klinik muss nach erfolgreicher Geburt einer Mutter mit ihrem Kind im gemeinsamen Krankenzimmer eine Notrufklingel zur Verfügung gestellt werden. Kommt es bei dem Neugeborenen zu Atemproblemen und kann sich die Mutter nicht bemerkbar machen, haftet die Klinik aufgrund eines groben Behandlungsfehlers.
Die Entscheidung des Arztes für die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Therapieform setzt eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Wohls des konkreten Patienten voraus. Je schwerer und radikaler der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten Behandlungsmethode.
Von Außenseitermethode spricht man, wenn der Arzt wegen Besonderheiten des Falles oder ernsthafter Kritik von einer herkömmlichen Standardmethode abweicht. Als Heilversuch ist eine neue, klinisch noch nicht hinreichend erprobten Methode zu kennzeichnen. Hier sind hohe Anforderungen an die Aufklärung zu stellen. Die Anwendung einer Außenseitermethode oder neuen Behandlungsmethode stellt nur dann keinen Behandlungsfehler dar, wenn die verantwortliche medizinische Abwägung und ein Vergleich der zuvor erwartenden Vorteile der Methode und ihrer abzusehenden oder zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohls des Patienten die Anwendung der neuen Methode rechtfertigt.
Bei Anwendung einer Außenseitermethode ist der Sorgfaltsmaßstab eines vorsichtigen Arztes maßgeblich, sodass der Ursache etwaiger Komplikationen nachzugehen ist. Der individuelle Heilversuch mit einem zulassungspflichtigen, aber noch nicht zugelassenen Medikament wird durch das Arzneimittelgesetz nicht verboten. Wird nach der Zulassung des Medikaments auf die Gefahr einer Schädigung und die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen hingewiesen, liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn der Arzt diese Kontrollmaßnahmen versäumt
Besondere Regeln müssen beachtet werden, wenn sich ein Medizinprodukt als schadhaft erweist. Schmerzensgeld und Schadensersatz schulden die Hersteller der medizinischen Produkte wie Implantate, Herzschrittmacher, Pflaster, Blutdruckmessgeräte, Zahnkronen, künstliche Hüftgelenke oder Herz-Lungen-Maschinen.
Patienten vermuten häufig keinen Zusammenhang zwischen falschen Arzneimitteln und der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Gerade bei älteren Menschen müssen Ärzte besonders aufmerksam sein, weil Tabletten im Alter anders wirken als in der Jugend.
Zahnärzte haften grundsätzlich nach denselben Kriterien wie andere Ärzte auch. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, z. B. ein Nachbesserungsrecht.
Auch wenn im Bereich der Schönheitschirurgie ein besonderer Boom festzustellen ist, drohen auch hier Risiken, wie es bei jedem medizinischen Eingriff möglich ist. Gerade hier sind Schadensersatzansprüche besonders wichtig, weil die gesetzlichen Krankenkassen Schönheitsoperationen und die Beseitigung von Kunstfehlern nicht tragen. Sogar Krankengeld kann die Krankenkasse für die Dauer der Folgebehandlung ganz oder teilweise versagen oder zurückfordern.
Die Haftung wegen Aufklärungsmängeln bildet die zweite Säule des Arzthaftungsrechts. Heute wird die Aufklärungspflicht aus dem Selbstbestimmungsrecht hergeleitet. Die Einwilligung gemäß § 630d BGB ist ausdrücklich in die vertraglichen Pflichten des Behandlungsvertrages einbezogen. Nur mit ordnungsgemäßer Aufklärung kann der Patient in den körperlichen Eingriff einwilligen. Der Patient soll so in die Lage versetzt werden, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er einer medizinischen Maßnahme zustimmt oder lieber nicht.
Die Aufklärung soll aber nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten die Schwere und Tragweite eines Eingriffs verdeutlichen, sodass er eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts erhält. Der Arzt muss den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufklären. Der Patient ist gemäß § 630e(1)2 BGB in der Regel über
Abweichend vom Behandlungsfehler ist es diesmal Sache des Arztes, die vollständige und ordnungsgemäße Aufklärung zu beweisen. Demgegenüber muss der Patient beweisen, dass die nicht von seiner Einwilligung getragene Behandlungsmaßnahme einen Schaden ausgelöst hat. Der Patient trägt die Beweislast für die Ursächlichkeit des infolge fehlerhafter Aufklärung rechtswidrigen Eingriffs und der eingetretenen Gesundheitsverletzung. Geht es aber darum, ob ein Schaden auch bei zutreffender Aufklärung eingetreten wäre, muss dies der Arzt beweisen. Das gilt insbesondere für die Frage, ob eine Behandlungsalternative zu einem besseren gesundheitlichen Ergebnis geführt hätte.
Aufklärungsfehler werden wie folgt unterschieden.
Es hat eine Aufklärung dem Grunde nach und auch keine Grundaufklärung stattzufinden.
Bei der Grundaufklärung muss über das größte Risiko der Behandlung aufgeklärt werden. Der Patient muss grundsätzlich über die Art und Schwere des Eingriffs aufgeklärt werden. Im Zusammenhang mit der Grundaufklärung ist es unerheblich, ob sich das schwerstmögliche Risiko im konkreten Einzelfall tatsächlich auch verwirklicht.
Zur Aufklärung dem Grunde nach gehört gemäß § 630e Abs. 1 BGB unter anderem die Aufklärung über den tatsächlich stattgefundenen ärztlichen Eingriff (Risikoaufklärung) sowie Behandlungsalternativen. Dabei muss eine Aufklärung über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und spezifische Risiken der Maßnahme, die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung der Maßnahme zur Diagnose oder zur Therapie und die Erfolgsaussichten der Maßnahme im Hinblick auf die Diagnose und Therapie stattfinden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied über die Klage eines Lackierers gegen ein Krankenhaus und dessen Chefarzt für Schulterchirurgie. Der Patient forderte Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit einer Operation. Der behandelnde Arzt hatte eine Schleimbeutelentzündung diagnostiziert und den Patienten zwei Tage vor der geplanten Operation darüber aufgeklärt. Der Patient unterzeichnete eine Einwilligungserklärung, die auf mögliche Wechsel der OP-Form hinwies.
Während des Eingriffs wurde tatsächlich ein Wechsel zur Mini-open-Technik notwendig, und nach der Operation infizierte sich die Wunde des Patienten, was zwei weitere Eingriffe erforderlich machte. Die Frankfurter Vorinstanzen entschieden, dass der Patient ordnungsgemäß über die gesamte OP aufgeklärt wurde und in den Eingriff eingewilligt hatte.
Der BGH stimmte dem zu, betonte, dass die Einwilligung nicht auf eine spezifische Operationsmethode beschränkt war. Das Oberlandesgericht habe richtig erkannt, dass die Angaben der Frau des Patienten keine zwingende arthroskopische Durchführung verlangten. Eine solche Einschränkung hätte jedoch einer eindeutigen Klarstellung bedurft, um intraoperative Reaktionsmöglichkeiten nicht zu beeinträchtigen.
Die Frage, ob eine zeitliche Sperrfrist zwischen Aufklärung und Einwilligung besteht, wurde nicht erneut entschieden, da der Patient dies nicht gerügt hatte. Der BGH bestätigte, dass das Gesetz keine solche "Sperrfrist" vorschreibt, deren Nichtbeachtung die Einwilligung unwirksam machen würde.
BGH, Beschluss vom 21.06.2022 - VI ZR 310/21
Genügt die Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann sich der Behandelnde darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). An einen dahingehenden Nachweis, der dem Behandelnden obliegt, sind strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Weg der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen wird.
Den Arzt trifft für seine Behauptung, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, die Beweislast aber erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er - wären ihm rechtzeitig die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. An die Pflicht des Patienten zur Darstellung eines solchen Konflikts sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Abzustellen ist auf die persönliche Entscheidungssituation des jeweiligen Patienten. Was aus ärztlicher Sicht sinnvoll und erforderlich gewesen wäre und wie ein "vernünftiger Patient" sich verhalten haben würde, ist hingegen grundsätzlich nicht entscheidend. Der Tatrichter darf seine eigene Beurteilung des Konflikts nicht an die Stelle derjenigen des Patienten setzen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf der Tatrichter Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte, und ob er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen. Durch die persönliche Anhörung soll vermieden werden, dass das Tatgericht für die Verneinung eines Entscheidungskonflikts vorschnell auf das abstellt, was bei objektiver Betrachtung als naheliegend oder vernünftig erscheint, ohne die persönlichen, möglicherweise weniger naheliegenden oder als unvernünftig erscheinenden Erwägungen des Patienten ausreichend in Betracht zu ziehen.
Die persönliche Anhörung soll es dem Gericht ermöglichen, den anwaltlich vorgetragenen Gründen für und gegen einen Entscheidungskonflikt durch konkrete Nachfragen nachzugehen und sie auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Patienten sachgerecht beurteilen zu können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine Bedenkzeit keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in eine Operation ist. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob der Patient ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurde und ob er in der Lage war, die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen.
BGH, Urteil vom 20.12.2022 - VI ZR 375/21
Im konkreten Fall hatte ein Mann einer Operation zugestimmt, die aufgrund von Komplikationen zu einer Querschnittslähmung führte. Der Mann argumentierte, er habe nicht ausreichend Zeit gehabt, um die Entscheidung zu treffen. Das Landgericht Heidelberg hatte seine Klage abgewiesen, da der Mann ausreichend aufgeklärt worden sei und ihm genügend Bedenkzeit eingeräumt worden sei. Der BGH bestätigte nun diese Entscheidung.
Allerdings betonte der BGH, dass Ärzte ihren Patienten ausreichend Zeit einräumen sollten, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Insbesondere bei schwerwiegenden Eingriffen sei es wichtig, dass die Patienten die Tragweite ihrer Entscheidung verstehen und sich ausreichend Zeit nehmen können, um darüber nachzudenken.
Das Urteil zeigt, dass eine Bedenkzeit nicht automatisch zu einer wirksamen Einwilligung führt. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Patient ausreichend aufgeklärt wurde und in der Lage war, die Entscheidung zu treffen. Ärzte sollten daher darauf achten, ihren Patienten genügend Zeit und Informationen zu geben, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.
"Gefährliche" Körperverletzung durch Arzt: Auch das Skalpell ist ein gefährliches Werkzeug. Ordentliche Aufklärung nötig.
Der 4. Strafsenat des BGH hat entschieden, dass ärztlich geführte Skalpelle als gefährliche Werkzeuge betrachtet werden können, was eine neue Perspektive auf ärztliche Eingriffe eröffnet.
BGH, Beschluss vom 19.12.2023 - 4 StR 325/23
Dies bedeutet, dass selbst bei fachgerechten Operationen, die mit Einwilligung des Patienten durchgeführt werden, eine Körperverletzung vorliegt. Dieses Urteil wurde im Zusammenhang mit einem Fall einer Mutter gefällt, die das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom hatte und falsche Krankheiten bei ihren Kindern vortäuschte, um Operationen durchzuführen.
Die Frau wurde wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der BGH bestätigte im Wesentlichen das Urteil, änderte jedoch den Schuldspruch wegen Körperverletzung und betrachtete die Operationen als gefährliche Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug. Dies markiert eine Änderung in der Auslegung des Strafrechts, insbesondere in Bezug auf die Definition eines gefährlichen Werkzeugs.
Früher wurden gefährliche Werkzeuge im Kontext von Waffen betrachtet, die als Angriffs- oder Verteidigungsmittel verwendet wurden. Jetzt werden sie jedoch unabhängig von ihrer Verwendung als solche betrachtet. Der BGH argumentierte, dass auch medizinische Instrumente eine Gefahr für Leib und Leben darstellen können, insbesondere wenn sie nicht für medizinisch notwendige Eingriffe verwendet werden. Die Entscheidung des BGH wirft Fragen auf, ob dies auch für medizinisch indizierte, aber nicht eingewilligte Eingriffe gilt, was jedoch noch offen ist.
Insgesamt zeigt dieses Urteil eine Verschiebung im Verständnis von gefährlichen Werkzeugen im Strafrecht und verdeutlicht die potenziellen rechtlichen Risiken im ärztlichen Alltag, insbesondere in Bezug auf die Aufklärung der Patienten und die Einwilligung zu medizinischen Eingriffen.
OLG Hamm, Urteil vom 20.12.2022 - Az. 26 U 46/21
Patient kann Spezialkenntnisse vom aufklärenden Arzt erwarten
Demnach bestehen besondere Anforderungen an die Aufklärung bei einer Hüft-TEP, wenn es im Vergleich zu einer normalen Hüftendoprothetik zu vermehrten Beschwerden kommen kann. Der aufklärende Arzt muss in der Lage sein, diese besonderen Risiken zu vermitteln.
Verfügt der aufklärende Arzt nicht über den entsprechenden Kenntnisstand, bleibt die Aufklärung defizitär
LG Frankenthal, Urteil vom 30.05.2022 - 4 O 147/21
Findet ein ärztliches Aufklärungsgespräch erst am Tag der Operation oder sogar erst während der Operationsvorbereitung statt, ist dies grundsätzlich als verspätet anzusehen. Die sodann durchgeführte Operation ist mangels Wirksamkeit der Einwilligung rechtswidrig.
Kurz nach einer Augenoperation, über deren Risiken nur eine halbe Stunde vorher aufgeklärt wurde, kam es zu einer wesentlichen Verschlechterung der Sehfähigkeit auf nur noch 25%. Dadurch war der Eingriff bereits wegen fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrig. Der Sinn der Aufklärung, der Patientin eine freie Entscheidung für oder gegen eine Operation ohne Zeitdruck zu ermöglichen, war nicht erfüllt. Eine Güterabwägung war der Patientin nicht möglich.